Nachhaltigkeitsberichterstattung gewinnt an Bedeutung. Für große börsennotierte Unternehmen ist sie EU-weit seit dem Geschäftsjahr 2017 rechtlich verpflichtend. Die Berichtsanforderungen beziehen sich auf Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelange, die Achtung der Menschenrechte sowie die Bekämpfung von Korruption und Bestechung.
Aber auch darüber hinaus publizieren immer mehr Unternehmen zu nichtfinanziellen Informationen, insbesondere zu den ökologischen und sozialen Aspekten ihrer Unternehmensaktivitäten. Nicht zuletzt rufen auch die Sustainable Development Goals – die Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen – Wirtschaftsunternehmen dazu auf, einen Beitrag zur Bewältigung der globalen Herausforderungen zu leisten – vom Kampf gegen Armut, für menschenwürdige Arbeit und nachhaltigen Konsum bis hin zu Maßnahmen gegen den Klimawandel.
Die globalen Herausforderungen sowie eine wachsende Sensibilität der Öffentlichkeit, etwa in Bezug auf die Menschenrechtsverletzungen in der Zulieferkette, und immer wieder auch strafrechtlich relevante Unternehmensskandale wie die VW Abgasmanipulationen, rücken Fragen zur Verantwortung von Unternehmen in den Vordergrund. Eine Verantwortung, die für Unternehmen mit neuen Verpflichtungen einhergeht, aber auch Chancen bietet. Oder wie es Peter Diamandis formuliert: “The world´s biggest problems are the world´s biggest business opportunities.”
Was sind nun die rechtlichen Grundlagen von Nachhaltigkeitsreporting? Und was ist dessen Mehrwert? Im Folgenden ein kurzer Überblick – von der EU CSR Richtlinie, über die gesetzliche Umsetzung in Deutschland und Österreich bis hin zu Impact Investment und der Frage nach dem Sinn.
Die EU CSR-Richtlinie
Die „EU Richtlinien 2014/95/EU zur Änderung der Richtlinie 2013/34/EU im Hinblick auf die Angabe nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen durch bestimmte große Unternehmen und Gruppen” – abgekürzt CSR-Richtlinie (oder auch NFI-Richtlinie) schuf EU-weit die rechtliche Grundlage für die Nachhaltigkeitsberichterstattung großer Unternehmen.
Ziel dieser Richtlinie ist es die Transparenz der Sozial- und Umweltberichterstattung von Unternehmen in den EU-Mitgliedstaaten auf ein vergleichbar hohes Niveau anzuheben. Große Unternehmen von öffentlichem Interesse, die mehr als 500 Mitarbeiter beschäftigen, haben nun jährlich im Lagebericht eine nichtfinanzielle Erklärung zu veröffentlichen. Diese Erklärung hat Angaben zu enthalten, die für das Verständnis des Geschäftsverlaufs, des Geschäftsergebnisses, der Lage des Unternehmens sowie der Auswirkungen seiner Tätigkeit erforderlich sind und sich mindestens auf Umwelt-, Sozial-, und Arbeitnehmerbelange, auf die Achtung der Menschenrechte und auf die Bekämpfung von Korruption und Bestechung beziehen.
Die Erklärung soll die kurz-, mittel- und langfristigen Folgen der offengelegten Informationen sowie die Due-Diligence-Prozesse und die wichtigsten nichtfinanziellen Leistungsindikatoren darstellen. Falls relevant und verhältnismäßig haben sich die Angaben auch auf die Lieferkette und die Kette von Unterauftragnehmern zu beziehen, um negative Auswirkungen zu erkennen, zu verhindern und abzuschwächen.
Die Richtlinie gibt kein bestimmtes Berichtsformat vor, sondern verweist auf internationale Rahmenwerke, an denen sich Unternehmen orientieren können. Beispielhaft wird in den Erläuterungen etwa der Global Compact, die Leitprinzipien für Unternehmen und Menschenrechte der Vereinten Nationen, die Leitlinien der OECD für multinationale Unternehmen, die Norm der Internationalen Organisation für Normung ISO 26000, die Trilaterale Grundsatzerklärung der Internationalen Arbeitsorganisation sowie die Global Reporting Initiative genannt.
Als weitere Orientierungshilfe wurden 2017 von der EU Kommission Leitlinien zur Methode der Berichterstattung veröffentlicht, die auch die wichtigsten allgemeinen und sektorspezifischen nichtfinanziellen Leistungsindikatoren enthalten.
Umsetzung in Deutschland und Österreich
In Österreich wurde die Richtlinie durch das Nachhaltigkeits- und Diversitätsverbesserungsgesetz (NaDiVeG), in Deutschland durch das CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz umgesetzt.
Sowohl in Deutschland wie auch in Österreich orientierte man sich bei der der gesetzlichen Umsetzung weitgehend am Wortlaut der Richtlinie. Die neuen Bestimmungen wurden im deutschen HGB (insbesondere in § 289b und § 289c) und im österreichischen UGB (insbesondere § 243b) verankert.
Das NaDiVeG betrifft laut einer Studie von Ernst & Young in Österreich knapp 120 große Unternehmen in Österreich, EU-weit sind Schätzungen zufolge von der CSR-Richtlinie rund 6500 Unternehmen betroffen. Eine inhaltliche externe Prüfung ist weder in Deutschland noch in Österreich verpflichtend vorgesehen. Allerdings trifft den Aufsichtsrat eine Prüfpflicht. Um diesen zu entlasten und nicht zuletzt um das Vertrauen der Öffentlichkeit in die nichtfinanziellen Angaben zu erhöhen, ist es empfehlenswert externe Prüfer hinzuziehen. Erste Studien zu den Erfahrungen bei der Umsetzung der Richtlinien:
- CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz: Die nichtfinanzielle Erklärung – Lessons Learned aus dem ersten Berichtsjahr, 2017
- WU Wien, PWC: Nichtfinanzielle Berichterstattung Fokus: NaDiVeG, Studie zum Reifegrad österreichischer Unternehmen, November 2017
- KPMG, Resümee der ersten Saison, NaDiVeg, 2018
Global Reporting Iniative
Die Leitlinien der Global Report Iniative sind das weltweit am häufigsten angewandte Rahmenwerk für Nachhaltigkeitsberichterstattung. Auch in Österreich und Deutschland orientieren sich die meisten berichtspflichtigen Unternehmen an den Leitlinien der Global Reporting Initiative. Sie haben das Ziel als „global best practice“ die Qualität der Berichterstattung zu den ökonomischen, ökologischen und sozialen Auswirkungen von Unternehmen und anderen Organisationen zu steigern.
Die Global Reporting Iniative wurde 1997 von der Coalition of Environmentally Responsible Economies in Partnerschaft mit dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen gegründet. Seitdem wurden die Leitlinien stetig weiterentwickelt und im Oktober 2016 die aktuelle Version unter dem Namen “GRI Standards” publiziert. Mit diesen wurden die bis Juli 2018 geltende GRI G4 Richtlinie abgelöst.
Durch ihre modulare Struktur sind die neuen GRI Standards einfacher und flexibler in der Anwendung. Kapitel 1 (GRI 100) enthält die Grundlagen für die Berichterstattung: Anleitungen zur Verwendung der Standards, Darlegung der relevanten Kontextinformationen und Angabe, wie wesentliche Themen gehandhabt werden. Zu den Prinzipien der Berichterstattung zählen die „Einbeziehung von Stakeholdern“, „Wesentlichkeit“ und „Vollständigkeit“, zu den Prinzipien für die Berichtsqualität Kriterien wie „Genauigkeit“, „Ausgewogenheit“, „Klarheit“ und „Vergleichbarkeit“.
Die Kapitel 2, 3 und 4 bestehen aus 33 Unterpunkte mit themenspezifische Standards, die abhängig von den Ergebnissen der Wesentlichkeitsanalyse anzuwenden sind (GRI 200 – wirtschaftliche Themen, GRI 300 – Umweltbelange, GRI 400 – soziale Themen).
Bei der Verwendung der GRI Standards haben Unternehmen je nach Umfang der Berichterstattung unterschiedliche Berichtsoptionen – sie können zwischen „Kern“ (Core) und „Umfassend“ (Comprehensive) wählen. Neu ist, dass Unternehmen, die nur zu einer Standardserie – beispielsweise Umwelt – oder nur zu einem einzelnen Thema berichten wollen, dies mit dem sogenannten „GRI-referenced“-Claim kennzeichnen können.
Die Sinnfrage
Über die Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben hinaus stellt sich bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung die Frage nach dem Sinn. Welchen Mehrwert gibt es für Unternehmen sich systematisch mit Nachhaltigkeitsthemen auseinanderzusetzen?
Grundsätzlich gilt, eine glaubwürdige Berichterstattung über Nachhaltigkeitsaspekte kann das Vertrauen der Öffentlichkeit in das Unternehmen stärken und die Reputation erhöhen. Und vor dem Hintergrund, dass das Bewusstsein von Konsumenten in Bezug auf Nachhaltigkeit in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat und auch deren Kaufentscheidungen beeinflusst, ist dies mitunter ein entscheidender Wettbewerbsvorteil. Studien weisen zudem daraufhin, dass Nachhaltigkeitsaspekte bei der Rekrutierung und langfristigen Bindung von Mitarbeitern an das Unternehmen eine wichtige Rolle spielt. Schließlich ist das Streben nach Sinn – der sich sowohl bei Menschen als auch bei Unternehmen nie nur in finanziellen Aspekten erschöpfen sollte – ein entscheidender Motivator, wie Victor Frankl in seiner beeindruckenden Forschung dargelegt hat (näheres zum Thema Sinnorientierung und Wirtschaft auf der Webseite des Viktor Frankl Zentrums Wien).
Die Dokumentation und Aufbereitung nachhaltigkeitsbezogener Daten kann zudem der internen Kontrolle und Steuerung dienen und die Auseinandersetzung mit ökologischen und sozialen Risiken zur Minimierung des Geschäftsrisikos beitragen.
Besondere Bedeutung haben Nachhaltigkeitsberichte nicht zuletzt für Investoren. So steigt die Nachfrage für nachhaltige Investments, die nach den Grundsätzen von Ökologie, Sozialem und guter Unternehmensführung (Envorinmental, Social, Governance – ESG) stetig an. Laut Global Sustainable Investment Review 2018 hat der Markt für ESG Investments im Jahr 2018 bereits ein Volumen von über 30 Billionen USD erreicht. Und bei „Impact Investment“ – wirkungsorientierte Investments mit dem Ziel soziale, gesellschaftliche oder ökologische Probleme zu lösen – zeichnet sich in den letzten Jahren ein regelrechter Boom ab. Näheres zum Thema auf den Webseiten der Rockefeller Foundation und des Global Impact Investment Network.
Sinnvolles zu tun und dabei Geld zu verdienen muss demnach für Investoren kein Widerspruch sein. Vor allem mit Blick auf den rasanten technologischen Fortschritt, bieten sich für Unternehmen bei der Bewältigung globaler Herausforderungen Chancen. Jene, die es schaffen dazu einen Beitrag zu leisten, können mitunter ganze Industriezweige revolutionieren – siehe beispielsweise Elon Musk und Tesla. Oder wie es der bereits einleitend zitierte Peter Diamandis, Gründer ua der X Prize-Foundation und Autor von Bestsellern wie Abundance: The Future Is Better Than You Think formuliert hat: „The world´s biggest problems are the world´s biggest business opportunities“. Er und andere Zukunftsforscher wie Erfinder, Autor und Google „Chief of Engineering“ Ray Kurzweil prognostizieren in den kommenden Jahren durch exponentiell wachsende Technologien enorme Chancen im Streben um eine nachhaltige Wirtschaft und die Erreichung der Sustainable Development Goals (siehe dazu auch die Webseite der von Diamandis und Kurzweil gegründeten Singularity University)
Nachhaltigkeitsberichterstattung und Legal Compliance
Die Diskussion um Unternehmensverantwortung wurde in den letzten Jahren auch durch strafrechtlich relevante Unternehmensskandale geprägt. Offenkundig geht wirksames Nachhaltigkeitsmanagement und Fragen der Corporate Social Responsibility über die bloße Einhaltung rechtlicher Vorschriften hinaus. Doch rechtskonformes Handeln und die Prävention von Unternehmenskriminalität ist grundlegende Voraussetzung dafür, dass Unternehmen ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden. Daher finden sich Aspekte von Legal Compliance, wie Korruptionsbekämpfung und Governance, auch in den GRI Standards wieder. Im Zuge der Nachhaltigkeitsberichterstattung ist daher die Compliance Organisation eines Unternehmens und die strafrechtlich relevanten Risiken in den Blick zu nehmen. Zumal Menschenrechtsverletzungen, aber auch Verstöße gegen Umweltschutzauflagen und mangelhafte Sicherheitsstandards mitunter eine strafrechtliche Relevanz haben. Näheres dazu in: Unternehmensstrafrecht und die Verantwortung für Menschenrechtsverletzungen im Rahmen internationaler Unternehmensaktivitäten, NVW, Wien 2016.
